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80. Jahrestag des Massakers von Marzabotto

Der Ortsamtsleiter von Vegesack und Vertreter der Friedensschule waren als Sondergäste zur Delegation des Bundespräsidenten eingeladen. Die Beiratssprecherin von Vegesack und die Deutsch-Italienische Gesellschaft bildeten den anderen Teil der Delegation aus Bremen.

Marzabotto hatte während des 2. Weltkrieges unter der deutschen Besetzung besonders zu leiden. Ende September und Anfang Oktober 1944 zerstörten Einheiten der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ und der deutschen Wehrmacht die gesamte Region um den Berg Monte Sole. Sie töteten über 770 Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder. An über 100 verschiedenen Plätzen in Siedlungen oder vereinzelt liegenden Häusern, die zum Gemeindegebiet von Marzabotto und zwei Nachbardörfern am Monte Sole gehören, wurde das Massaker verübt. Es war das schwerste deutsche Kriegsverbrechen in Italien im Zweiten Weltkrieg.

Es war verabredet, dass eine Delegation, bestehend aus Mitgliedern der Friedensschule, des Ortsamtes Vegesack und der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Bremen, zu diesem wichtigen Gedenktag in unsere Partnergemeinde Marzabotto reisen werden. Sehr unerwartet erhielt der Ortsamtsleiter G. Sgolik und E. Bohne von der Friedensschule am 11.9.2024 einen Anruf vom Bundespräsidialamt. Beide wurden eingeladen, den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier als Sondergäste am 29. September 2024 nach Marzabotto zu begleiten.

Vom militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn, flog das Regierungsflugzeug nach Bologna. Die Delegation setzte sich zusammen aus StaatssekretärInnen, MinisterialrätInnen, ReferentInnen, BotschafterInnen, Zuständigen für das Protokoll, DolmetscherInnen, MedienvertreterInnen und Personenschützern, zusammen über 30 Personen. Als weiterer Sondergast war der Historiker Carlo Gentile dabei. Er forscht seit Mitte der 1990iger Jahre zur Repressionspolitik im besetzten Italien von 1943 bis 1945 und ist Mitglied in der von Deutschland und Italien 2009 eingesetzten Deutsch-Italienischen Historikerkommission, die eine gemeinsame Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit zum Ziel hat. Zur Umsetzung der Empfehlungen richtete die Bundesregierung einen deutsch-italienischen Zukunftsfonds ein, aus dem entsprechende Projekte finanziert wurden.

Nach der Begrüßung mit militärischen Ehren fuhr man am Ort Marzabotto vorbei zum Historischen Park Monte Sole. Hier wurde die Delegation vom Präsidenten der Italienischen Republik Herrn Sergio Materella und vom Präsidenten des Gedenkkommitees für die Opfer von Marzabotto Herrn Valter Cardi begrüßt. Wir aus Vegesack, d.h. Herr Sgolik und ich hatten die Gelegenheit, Herrn Cardi schon vor der Zeremonie zu treffen und uns an seinen Besuch im Juni 2024 in Vegesack zu erinnern.



Es wurden Kränze niedergelegt am Gedenkstein für den Widerstandskämpfer und Pfarrer Giovanni Fornasini und an der Ruine der Kirche San Martino. Vorher fand die Begrüßung durch die Präsidentin der Region, dem Präfekten von Bologna und der Bürgermeisterin von Marzabotto Valentina Cuppi statt.



Die Sondergäste hatten zwischendurch die Möglichkeit, Gespräche mit den Delegationsmitgliedern zu führen und so berichteten wir von den brutalen Geschehnissen 1944 an dieser Kirche, aber auch von unseren Workcamps von vor über 40 Jahren und dem Entstehen der Städtepartnerschaft.

Unter Bäumen, vor einer christlichen Plastik außerhalb der Ruine der Kirche saß eine Gruppe überwiegend ältere und zum Teil gehbehinderter Personen. Sehr berührend war es, wie einfühlsam Herr Steinmeier und besonders Frau Büdenbender aber auch der italienische Präsident kurze Gespräche mit den Familienangehörigen der Opfer geführt haben.

Die Zeit war knapp und so wurde die Delegation schnell in den Ort Marzabotto gefahren, wo über 1000 Menschen hinter den Absperrungen standen. Für die geladenen Gäste war ein riesiges Zelt auf dem Platz vor der Kirche aufgebaut. Beim Eintreffen gab es noch eine kurze Gelegenheit, Patrizia Zanasi (sie gestaltet mit uns die Städtepartnerschaft seit 25 Jahren) herzlich zu begrüßen. Den anderen Teil unserer Bremer Delegation, Frau Heike Sprehe (Beiratssprecherin) Arianna Pascoli und Marco Eggert von der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Bremen konnte man nur kurz nach Ende der Veranstaltung treffen.

Dieser Teil der Delegation aus Bremen ist Samstag angereist und wurde von Patrizia Zanasi und dem ehemaligen Bürgermeister Bruno Spadoni sehr herzlich empfangen. Auch Valter Cardi vom regionalen Komitee zur Ehrung der Gefallenen und die Bürgermeisterin Valentina Cuppi haben sie getroffen. Zeit zu Gesprächen war aber erst gegen 15:00 beim Mittagessen, zu dem Valter Cardi eingeladen hatte. An diesem nahm auch Marco De Paolis teil (Militärstaatsanwalt, er hält am 3.12.24 einen Vortrag im Bremer Rathaus). Als weitere für uns Bremer interessante Gäste waren dabei zwei Vertreter der Mittelschule aus Marzabotto (stellv. Schulleitung und eine Klassenlehrerin), ferner die Schulleitung einer Schule aus Starnberg. Dies war besonders interessant, da beide Schulen seit einigen Jahren eine intensive Kooperation pflegen. Die Mittelschule in Marzabotto könnte sich durchaus vorstellen, eine ähnliche Kooperation, d.h. einen Schüleraustausch, auch mit einer Schule in Bremen / Vegesack zu organisieren. Es wurde vereinbart, in Kontakt zu bleiben und sich auf dem Laufenden zu halten.

Obwohl die Kranzniederlegungen mit Video in den Ort Marzabotto übertragen worden sind, ist Valter Cardi nach der Gedenkveranstaltung mit den Bremer Gästen zum Monte Sole gefahren, damit auch die Beiratssprecherin Frau Sprehe die Landschaft und die Ruinen von San Martino sehen konnte.

Zur Gedenkveranstaltung: Schon den ganzen Vormittag lag eine ungewöhnliche Spannung in der Luft, ab 11:00 konnten geladene Gäste den abgesperrten Bereich betreten und gegen 13:00 traf die Präsidentenkolonne ein.



Valter Cardi eröffnete mit einer sehr emotionalen und persönlichen Rede die Veranstaltung. Man merkte ihm direkt an, dass dieser Moment ein ganz besonderer für ihn war. Was auch nicht verwunderte, denn er sprach vor zwei Präsidenten; er sprach von den vielen Opfern seiner Familie; er sprach von der Freude, dass diese Veranstaltung realisiert werden konnte. Anschließend sprach die Bürgermeisterin Valentina Cuppi. Nach ihr kam der italienische Präsident Mattarella ans Rednerpult.







Er hat sich in seiner Rede für den Besuch von Steinmeier bedankt und lobte den gemeinsamen Wiederaufbau Europas. "Italien und Europa haben es geschafft, sich aus dieser Hölle zu erheben. Unsere Eltern, unsere Großeltern haben sich nicht der Resignation ergeben. Sie verwandelten den unsagbaren Schmerz in eine regenerative Kraft. Es war nicht leicht, einen Kontinent aus den materiellen und moralischen Trümmern, in die Nazismus und Faschismus ihn gestürzt hatten, wieder aufzubauen. Ich danke Ihnen, lieber Steinmeier, im Namen der Italienischen Republik, dass Sie hier sind. Gemeinsam mit den Familien der Opfer können wir diesen historisch und zivilisatorisch so bedeutsamen Jahrestag begehen". In seiner Rede zitierte er den italienischen Schriftsteller Primo Levi mit den Worten "Mai più" (niemals wieder) Levi hatte Auschwitz überlebt und einen erschütternden Bericht geschrieben mit dem Titel "Ist das ein Mensch?"

Der deutsche Bundespräsident hat seine Rede auf Italienisch gehalten, was bei den Bewohnern von Marzabotto sehr wertgeschätzt wurde. Er hat um Vergebung gebeten, er empfinde nur Trauer und Scham. Steinmeier beklagte, dass die während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg begangenen Kriegsverbrechen in Deutschland "kaum bekannt" seien. "Auch deshalb bin ich heute hier", sagte er. Weiterhin warnte er vor Rechtsextremismus in Deutschland. Er erinnerte auch daran, dass die Verantwortung keinen Schlussstrich kennt.

Auszug: " ...weil Sie alle uns Deutschen Versöhnung gewährt haben. Welch riesiges kostbares Geschenk ist das! Diese Versöhnung, die leben Sie hier in Marzabotto und den umliegenden Dörfern ganz konkret: in Ihrer Friedensschule, im engen Austausch mit jungen Leuten aus Deutschland, in der Partnerschaft mit Bremen-Vegesack und der Internationalen Friedensschule ... die Menschen hier am Monte Sole, Sie alle setzen sich dafür ein, dass wir die Erinnerung bewahren. Und, besonders wichtig: Sie tragen sie weiter an junge Menschen, und dafür danke ich Ihnen. Dass die Jungen um die Vergangenheit wissen, das ist umso wichtiger, als es nur noch wenige Zeitzeugen gibt..."

Vorher wurden noch Kränze in der Krypta der Pfarrkirche niedergelegt, wo die Namen der Ermordeten zu lesen sind.

Nach der Gedenkveranstaltung fuhren wir in die Präfektur von Bologna wo auch wir Sondergäste zum Mittagessen vom Präsidenten eingeladen waren.

Hier standen wieder Soldaten Spalier. Eigentlich wirkten die Räume alle etwas alt und muffig aber nun wartete eine ganz lange Tafel auf uns. Man sucht sich sein Namensschild und das dauerte lange bei diesem unendlichen Tisch. Rechts von mir saß Antonio Tajani, der Außenminister von Italien. Er war Mitbegründer von Forza Italia. Seit 2014 war er Europa-Abgeordneter und leitete später das EU-Parlament. Links saß Dr. Lucas, der Botschafter der Bundesrepublik Deutschlands in Rom. Schräg gegenüber sah ich Matarella und daneben Frau Büdenbender, die Ehefrau von Steinmeier. Der Bundespräsident saß seinem italienischen Kollegen gegenüber. Herrn Sgolik hatten sie an der anderen Seite des Tisches platziert.

Mit dem Botschafter habe ich im Smalltalk über die Schulen in Italien gesprochen und dem Außenminister habe ich unsere Stadt Bremen beschrieben.

Das Essen begann mit Tortellini Bolognese und endete mit bayerischer Vanillecreme. Meine besondere Gelegenheit kam nach dem Essen: Man stand vom Tisch auf und stand so herum, gehen konnte und wollte man noch nicht. Plötzlich schüttelte ich die Hand des Bundespräsidenten und bedankte mich für die Einladung. Auch Frau Büdenbender ( Frau von Steinmeier) stand neben ihm. Ich sprach von unserer Städtepartnerschaft, lobte den Preis der Präsidenten, auf den wir uns erfolglos beworben hatten, und beschrieb die Initiative, die hierbei von Patrizia ausging, und das Engagement von Marco Eggert, dem Vertreter des Honorarkonsulats Bremen. Ich beschrieb den Weg zur intensiven Neuauflage der Städtepartnerschaft. Ich musste mich beeilen, die Gesellschaft wollte den Raum verlassen.



In rasender Fahrt ging es zum Flughafen. wo sich das Regierungsflugzeug und die Soldaten für die militärische Verabschiedung befanden. Mehrere Mitglieder der Delegation kamen noch einmal zu unseren Plätzen und bedankten sich für unsere Begleitung. Wir lobten die Reden, lobten die perfekte Organisation und die Auswahl der einzelnen Stationen. Die Begegnungen in San Martino waren sehr einfühlend gewählt. Ich nutzte noch mal die Gelegenheit, auf die Säulen unserer Städtepartnerschaft hinzuweisen: Patrizia und Marco Eggert, Kommune Marzabotto, Comitato, Friedensschule Bremen und Marzabotto und das Lidice-Haus. Ich hatte mir eine Mappe mit Unterlagen zusammengestellt, leider gab es aber keine Gelegenheit es jemanden zu zeigen. Auch die Fotos in meiner Jackentasche haben nur 2 Personen gesehen. Schön wäre es gewesen, wenn Uschi und Gerd, die die Städtepartnerschaft aufgebaut hatten, das hätten erleben können.

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