Der Kranich als Friedenssymbol

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Jean-Marie Vanden Eynde:
Ansprache zum 4. November 2009, Bremen-Blumenthal

Liebe Freundinnen und Freunde in Blumenthal und Umgebung,
meine Damen und Herren,

erlauben Sie mir im Namen der politischen Gefangenen aller Nationen, die hier in Blumenthal gezwungen wurden, das Grauen des Straflagersystems der Nazis zu ertragen, Sie zu Ihrer Arbeit zu beglückwünschen und mich zu bedanken.

Ihre sehr gute Idee, diese Gedenkstätte mit den Namen und den Daten unserer 123 Toten zu versehen, die in diesem Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme in den Monaten der Jahre 1944 und 1945 gestorben sind, verdient unsere Hochachtung.

Bisher konnten Historiker auf unsere Fragen, wo sich die Grabstätten der Verstorbenen befinden, nur sagen, dass sie aus einem Massengrab bei Farge geborgen und wü rdevoll zum Friedhof Osterholzüberführt worden sind. Diese Antwort war sehr pauschal!

Mit diesem Gedenkstein haben nunmehr, von diesem Tage an,die Familien oder jede andere Person, die sich für das Schicksal ihrer Lieben interessieren, die Mö glichkeit, den konkreten Ort ihres Todes aufzusuchen.

An diesem Ort des Gedenkens, durch dieses Bauwerk das wir einweihen, habe ich den Namen meines Landsmannes Edouard Descamps wieder gefunden; er litt an Furunkulose und starb nach kurzem Aufenthalt im sog. Revier des Lagers.
Ich werde mich immer daran erinnern, dass Edouard die ganze Zeit bis zum Tag des Abtransports durch einen Karren auf dem Boden lag. Sein nackter Körper befand sich vor dem Eingang zur Waschbaracke; er war zu Eis gefroren durch die sehr kalten Außentemperaturen.

Auch war ich bei der Durchsicht der Liste der 123 Toten positiv überrascht, darauf den Namen eines Russen namens Nikolas zu finden! Nikolas, dessen Nachnamen ich nicht kannte, war der Leiter der Gruppe der Betriebselektriker, zu denen auch ich gehörte.
Eines Tages schnitt er sich beim Umformen eines Feinblechs aus Weicheisen in die Hand. Da es in der Krankenstation des Lagers kein Desinfektionsmittel gab, wurde seine Wunde brandig; man amputierte ihm die Hand. Danach wurde sein Arm amputiert; er starb nach schmerzvollem Leiden.

Ich habe auch den Tod zweier polnischer Häftlinge im Gedächtnis behalten, die Ende 1944 öffentlich auf dem Appellplatz erhängt worden sind. Diese Unglü ;cklichen kannte ich nicht, jedoch habe ich jetzt ihre Namen und das Datum der Hinrichtung gefunden!

Mit der Schilderung dieser Begebenheiten möchte ich aufzeigen, dass die Namens­schilder an der Skulptur bei den Familien, die auf Gedächtnisfahrten immer noch nach dem Verbleib ihrer vermissten Angehörigen suchen, jetzt Zweifel über den Ort ihres Todes ausgeräumt finden.

Unter den 123 Toten befinden sich 87 meiner belgischen Landsleute. Diese Zahl verschlägt mir die Sprache angesichts der Tatsache, dass die 36 anderen Opfer sieben verschiedenen Nationalitäten angehören.

Mögen wir nie wieder eine solche Zeit erleben wie die zwischen 1933 und 1945, in der ganze Völkerschaften ins Verderben gestürzt wurden – nur wegen eines nach eitlem Ruhm dürstenden Diktators.

Ich wünsche diesem Projekt und seinen Werken ein langes Leben. Mit freundschaftlichem Gruß sage ich Auf Wiedersehen.



Ich verneige mich ehrerbietig vor dem Andenken der 123 Opfer, die, eingesperrt in diesem Konzentrationslager, vorzeitig aus dem Leben gerissen wurden.

Ich bitte Sie um eine Minute des Gedenkens.


Jean-Marie Vanden Eynde bei der Einweihung des Gedenksteins

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