Praxis
Aktuell
Orte
Netzwerk
Personen
Archiv
|
Heinrich Hillmann (1883-1968)
aktives Mitglied der NSDAP und Bürgermeister von Aumund
Inhalt
EINLEITUNG
Heinrich Hillmann war von 1933 bis 1939 Bürgermeister der preußischen Gemeinde Aumund. Schon vor der Machtübernahme der Nazis gehörte er der NSDAP an und war im Gemeinderat aktiv. Hillmann war 1932 Gründer und bis 1937 Leiter der Ortsgruppe Aumund.
Auf Hillmanns kommunalpolitische Tätigkeit ist es zurückzuführen, dass die Gemeinde bis 1936 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, ein neues Rathaus, neue Straßen und Siedlungen bauen konnte. Hillmanns Kompetenz hing damit zusammen, dass er als erfahrener, ortskundiger Kaufmann verantwortungsvoll wirtschaftete und gleichzeitig mit Überzeugung die Notwendigkeit einer neuen politischen Ausrichtung vertreten hatte. Die besondere Hinwendung zum Heimatgedanken und zur Wohnraumbeschaffung sowie die Unterstützung von Bedürftigen waren geeignet, politischen Gegnern den Boden zu entziehen und soziale Einschnitte abzufedern. Beleg für die in kurzer Zeit erreichten "Erfolge" waren die signifikant gesunkenen Arbeitslosenzahlen. So genannte "Arbeitsschlachten" und andere rigide Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise führten schnell zu hohen Beschäftigungsquoten, die die nationalsozialistische Politik für ihre Rechtfertigung benötigte.
Hillmanns Stellung und Verhalten als NSDAP-Ortsgruppenleiter und als Bürgermeister von Aumund wurden nach dem Krieg im Entnazifizierungsverfahren und in Strafprozessen untersucht. Wie die meisten der "Betroffenen" in den Verfahren hatte auch Hillmann wenig Einsehen in das Unrecht, das im Namen aller Deutschen begangen worden war. Trotz aktiver Unterstützung des Systems hatte er seine Mitschuld an Verfolgungen, Holocaust und Krieg stets bestritten oder klein geredet.
Zu seiner Verteidigung führte Hillmann unter anderem an, dass er mit der Rassenlehre und Gewaltherrschaft der NSDAP nichts im Sinn gehabt habe. Die Verfolgung der Juden hätte "innerlich nicht seine Billigung gefunden", gab er zu Protokoll. Aber gerade als Standesbeamter musste er laufend die Unterlagen von Ehepartnern prüfen, ob sie den gesetzlichen Anforderungen genügten, ob eine arische Herkunft vorlag und ob die Gesundheitszeugnisse in Ordnung waren. Auch bei der Auswahl von Mietern und Siedlern für Gemeindewohnungen und Häuser waren diese Kriterien anzuwenden. Der Gesichtspunkt der "Erbgesundheit" stand bei allen Entscheidungen immer ganz oben.
Für politische Leiter wie Hillmann, die einst einen heiligen Treueid auf Hitler geschworen hatten, gab es keine Möglichkeiten, ihre Mitverantwortung zu leugnen. Allein das Innehaben einer höheren Parteifunktion genügte den Spruchkammern, den "Betroffenen" eine strafbare Mitschuld an dem Leid vieler Menschen und dem Kriegsgeschehen zuzuweisen. Näherer Beweisebedurfte es dafür nicht.
Dagegen fehlte es im parallel laufenden Strafverfahren gegen Hillmann und einen weiteren Tatbeteiligten wegen Beihilfe zur Brandstiftung an konkreten Beweisen für eine direkte Mittäterschaft. Die fotografisch dokumentierte Anwesenheit des Bürgermeisters bei der Zerstörung der Aumunder Synagoge am 10.11.1938 war zwar als Indiz, aber nicht als hinreichendes Beweisstück im Sinne der Anklage gewertet worden.
Die Ermittlungen und die juristische Aufarbeitung der Tat machen deutlich, in welchem Dilemma die Strafjustiz nach dem Krieg steckte. Sie musste Angeklagte freisprechen, wenn sie die ihnen zur Last gelegten staatlichen Willkürtaten "nur" billigend in Kauf genommen hatten. Für Opferangehörige war es ein Schock zu hören, dass sich die Angeklagten noch im geltenden Rechtsrahmen bewegt hätten und keine Pflicht zur Verhinderung der Tat bestanden habe.
LEBENSLAUF VON HEINRICH HILLMANN
1883: Geboren als Sohn des Kohlenhändlers und Fuhrwerkers Carl Hillmann in Grohn
1889-1897: Besuch der Volksschule
1897-1899: Besuch der Präparanden-Anstalt in Bederkesa
1899-1901: Kfm. Lehre in der Firma G. Suhren, Kohlenimport und -großhandel in Bremen
1901-1907: Arbeit im väterlichen Betrieb
1907: Gründung eines Brennstoffhandels und Fuhrgeschäfts in Aumund
1908: Heirat mit Meta Fraun, geb. 1883 in Aumund
1909: Geburt des Sohnes Karl-Heinz
1911: Geburt der Tochter Marianne
1912: Geburt des Sohnes Wilfried
1915-1918: Teilnahme am Ersten Weltkrieg in Frankreich und Belgien
1919-1931: Mitglied im Aumunder Gemeinderat als Vertreter "bürgerlicher" Parteien
1921: Gründung und Leitung einer Kohlenhandelsvereinigung in Aumund
1931: Eintritt in die NSDAP, Mitgliedsnummer 551999
1932: Gründung und Leitung der NSDAP-Ortsgruppe Aumund
1933: Berufung zum Bürgermeister von Aumund durch die NSDAP
1935: Austritt aus der evangelisch-lutherischen Kirche
1936: Gastgeber des 4. NSDAP-Kreistreffens; Eröffnung des neuen Rathauses
1937: Gründung des Aumunder Heimatvereins; Rücktritt vom Posten des Ortsgruppenleiters
1938: Verstrickung in die Vorgänge um den Brand der Aumunder Synagoge
1939: Abberufung als Bürgermeister
1940-1945: Angestellter im bremischen Amt für Ernährung und Wirtschaft
1943-1945: Kriegsortsgruppenleiter von Alt-Aumund
1944: Tod des Sohnes Karl-Heinz in Polen
1944-1945: Kriegsbedingte Dienststellenleitung von Blumenthal und Vegesack
1945: Versetzung in den Ruhestand; Entlassung aus dem Staatsdienst
1945-1947: Verhaftung und automatischer Arrest in Westertimke, Butzbach und Darmstadt
1947-1948: Untersuchungshaft im Bunker I, Parkallee und Lager Riespott in Bremen; Ermittlungen der Spruchkammer und der Staatsanwaltschaft
1949-1950: Urteile des Schwurgerichts, der Spruchkammer und der Revisionsinstanzen
1952: Begnadigung durch den Präsidenten des Senats Wilhelm Kaisen
1952-1966: Arbeit als Versicherungsvertreter der Nordstern-Versicherung
1968: Gestorben im Alter von 85 Jahren, Friedrich-Lürssen-Straße 6 (vormals Blumenstraße)
AUFSTIEG ZUR MACHT
Die Zeit vor 1933
Zwischen 1915 und 1918 war Hillmann als Soldat in Frankreich und Belgien eingesetzt. Am Ende des Krieges diente er noch in einem Inselwacht-Bataillon auf Borkum. Verletzt und ausgezeichnet mit den Eisernen Kreuz II. Klasse kam er wieder zurück nach Hause. Seine Frau Meta hatte während seiner Abwesenheit alleine die Geschäfte geführt und die Kinder versorgt. Hillmann engagierte sich als Vertreter des "bürgerlichen Lagers" im Aumunder Gemeinderat, dem er mit Ausnahme einer Wahlperiode von 1919 bis 1933 angehörte. Die keiner Partei angehörenden Mitglieder und ehemaligen Kriegsteilnehmer neigten zu konservativen politischen Ansichten mit rechtspopulistischen Untertönen, die aus der Enttäuschung über die Niederlage und Konsequenzen des 1. Weltkrieges kamen. Traditionell wurde das von Industriearbeit geprägte Aumund aber von Sozialdemokraten und Kommunisten beherrscht. Theodor Neutig (1913-1925) und Adolf Quest (1926-1932), beide SPD, führten die Gemeinde durch die krisengeschüttelten Jahre.
Anfang der 1920er Jahre gründete Hillmann eine Kohlenhandelsvereinigung. In Anbetracht der Kohlenknappheit und der Inflation machte es wenig Sinn, wenn einzelne Kohlenhändler im Bezirk um die wenigen teuren Ressourcen und Kunden kämpfen mussten. Im Verbund konnten Brennstoffe zu günstigeren Konditionen eingekauft und auf gemeinsame Rechnung an Kunden weiter verkauft werden. Dies verschaffte jedem der beteiligten Händler vorübergehend die gleichen Verkaufschancen. Trotzdem überlebten einzelne Geschäfte die heraufziehende Wirtschaftskrise nicht. Auch Hillmanns Firma stand Anfang der 1930er Jahre kurz vor dem Bankrott.
Die große Wirtschaftskrise, die sich bis 1932 dramatisch zuspitzte, legte Werften und Industriebetriebe in der Region lahm. Immer mehr Arbeiter wurden auf unbestimmte
Dauer nach Hause geschickt. Miet- und Steuerausfälle sowie steigende Soziallasten machten der Gemeinde Aumund schwer zu schaffen. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer aller Industriebetriebe im Ort sowie anderen kommunalen Abgaben gingen drastisch zurück. Die Zahlung der Gewerbesteuer des Bremer Vulkan, größter Arbeitgeber und Steuerzahler Aumunds, musste zeitweise ganz ausgesetzt werden.
Am 1.6.1931 trat Hillmann der NSDAP bei (Nr. 551999) und gehörte der Ortsgruppe Vegesack an. Zusammen mit drei anderen Parteigenossen aus Aumund bildete er die Fraktion der so genannten "Hitlerbewegung" im Aumunder Gemeinderat.
Am 1.6.1932 gründete Hillmann eine eigenständige NSDAP-Ortsgruppe Aumund und wurde mit Zustimmung der Kreis- und Gauleitung (Hannover-Ost) auch ihr Anführer.
Am 1.10.1932 wurde auf Anordnung der preußischen Staatsregierung der Landkreis Blumenthal, dem Aumund angehörte, mit dem Landkreis Osterholz zusammengelegt. Kreishauptstadt wurde Osterholz-Scharmbeck. Die Einwohner Aumunds fühlten sich historisch, wirtschaftlich und emotional eher mit Blumenthal als seinerzeitigem Zentrum verbunden. Auch gab es mit der benachbarten bremischen Stadtgemeinde Vegesack starke wirtschaftliche und kulturelle Kontakte. Die Zusammenlegung mit dem ausschließlich ländlich geprägten Kreis Osterholz versprach wenig Besserung der Lage vieler Menschen an der Weser, die ihre Arbeitsplätze in der Industrie verloren hatten. Auf Sitzungen des Kreisausschusses in Blumenthal widersprachen neben Vertretern von SPD, KPD, Zentrum und anderen Bürgerlichen auch die Vertreter der NSDAP vehement der geplanten Fusion.
Der Weg ins Bürgermeisteramt
Am 5.3.1933 fanden die ersten Reichstagswahlen nach der Ernennung
Adolf Hitlers zum Reichskanzler statt. Die NSDAP errang mit 44% nicht
die absolute Mehrheit. SPD und KPD kamen zusammen auf 40%, das
katholische Zentrum auf 12% und das rechte Wahlbündnis DNVP auf 8%. Eine
Woche später am 12.3.1933 waren im ganzen Reich Kommunalwahlen
angesetzt. Die Nationalsozialisten erhofften sich ähnlich starke
Erfolge, um die Macht auch in den Kommunalverwaltungen übernehmen zu
können.
Für den Gemeinderat in Aumund stellten sich Vertreter der SPD, KPD,
des Zentrums, von Gemeinwohl Aumund und vormals Bürgerliche, die zur
NSDAP übergelaufen waren, zur Wahl. Ihre Spitzenkandidaten waren der
Parteisekretär Willy Dehnkamp für die SPD, der Schiffbauer Wilhelm
Golinsky für die KPD, der Prokurist Hermann Andres für das Zentrum und
der Landwirt Hans Gärdes sen. für das Gemeinwohl Aumund, der Angestellte
Max Leistner und der Kaufmann Heinrich Hillmann für die NSDAP. Von
insgesamt 5.514 in Aumund abgegebenen Stimmen entfielen auf die SPD 39%,
NSDAP 20%, KPD 19%, Gemeinwohl Aumund 17% und Zentrum 4%. Der
amtierende Gemeindevorsteher Hans Gärdes vom Gemeinwohl Aumund wurde von
dem neu gebildeten Gemeinderat, der noch aus 20 Mitgliedern bestand, in
seinem Amt bestätigt. Die vier Stimmen der Fraktion der NSDAP, die
Hillmann zum Gemeindevorsteher machen wollten, blieben wirkungslos.
Somit hatten sich die Mehrheitsverhältnisse in Aumund nicht
grundlegend geändert. Allerdings wurden Ende März 1933 die vier
Gemeindevertreter der KPD aus dem Gemeinderat ausgeschlossen.
Hintergrund war der Reichstagsbrand, den die NS-Regierung den
Kommunisten anlastete – eine willkommene Gelegenheit, die erste Gruppe
politischer Gegner wegen "Verdachts auf Hochverrat" zu verfolgen.
Aufgrund der Stimmenmehrheit von SPD und Gemeinwohl Aumund konnte sich
der Gemeindevorsteher Gärdes in seinem Amt halten.
Sitzverteilung im Aumunder Gemeinderat nach der Kommunalwahl am 12.3.1933:
SPD: 9 | KPD: 4 | Zentrum: 0 | Gemeinwohl: 3 | NSDAP: 4
Am 2.5.1933 machte Hillmann politisch von sich reden, als er "auf
Befehl des Gaus" in einer "großen Reichsaktion" mit SA und
Parteigenossen das Gewerkschaftshaus in Aumund-Fähr an der Lindenstraße
stürmte und die dortigen Gewerkschaftsfunktionäre ultimativ aufforderte,
mit der NSDAP zusammenzuarbeiten. Außerdem wurde eine Kassenrevision
durchgeführt. Unter dem Vorwand von finanziellen Unregelmäßigkeiten
wurde das Haus geschlossen und der verantwortliche Funktionär Otto
Friese von der SPD verhaftet.
Am 22.6.1933 wurde die SPD im Reich verboten. Zeitlich verzögert traf
es die SPD-Fraktion im Aumunder Gemeinderat am 13.7.1933. Unter
Androhung von Schutzhaft wurde seitens des Stader Regierungspräsidiums
den Mitgliedern der Fraktion untersagt, das Rathaus zu betreten. Willy
Dehnkamp und andere prominente SPD-Genossen kamen ins SA-Gefängnis nach
Blumenthal. Später wurden sie zu langen Haftstrafen verurteilt. Ende des
Monats wurde der Gemeindevorsteher Hans Gärdes vom Gemeinwohl Aumund
gefeuert, weil er mit Hilfe von Stimmen der jetzt verbotenen SPD ins Amt
gekommen war. Hillmann spielte diese Entwicklung in die Hände und hielt
sich für die Übernahme der Macht im Ort bereit.
Am 1.8.1933, kurz vor Vollendung seines 50. Lebensjahres, wurde
Hillmann vom Regierungspräsidium in Stade handstreichartig zum
Bürgermeister von Aumund ernannt. Drei Monate später, am 28.10.1933,
wurde diese "Wahl" einstimmig und per Zuruf von jetzt 10
NSDAP-Gemeinderäten und zwei Beigeordneten bestätigt.
Am 2.2.1934 wurde Hillmann in das Beamtenverhältnis übernommen. In
einer amtlichen Zeremonie legte er vor dem Landrat in
Osterholz-Scharmbeck den Diensteid ab:
"Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes,
Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine
Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe."
Das hauptamtliche Bürgermeisteramt war auf 12 Jahre angelegt. Es
bündelte die exekutive Macht in der Gemeinde und sollte auf unterster
Ebene der Verwaltung in Verbindung mit dem Amt des Ortsgruppenleiters
die "Einheit von Staat und Partei" repräsentieren. In der Phase der
Machtergreifung wurden überall ohne echte Legitimation und Befähigung
der Kandidaten putschartig und teilweise mit roher Gewalt der SA
einflussreiche Verwaltungsposten mit Mitgliedern der NSDAP, den so
genannten "alten Kämpfern", besetzt. Missliebige linke Politiker,
Gewerkschafter und Juden wurden, sofern sie Beamte waren, aus ihren
Funktionen entfernt oder zum Rücktritt genötigt. Das Gesetz über die
"Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.1933 bot dafür die
legale Handhabe. Die Akteure, die mithalfen, die NSDAP an die Macht zu
bringen, wurden jetzt mit einträglichen Posten belohnt.
Sitz des Bürgermeisters war das alte Aumunder Rathaus an der
Grenzstraße 45. Dort wo sich heute am Aumunder Heerweg die Bücherei
befindet, stand einmal das Gemeindehaus, in dem die Gemeindeverwaltung
seit 1919 untergebracht war. Hillmann übte hier seine Ämter als
Ortsgruppenleiter der NSDAP und Bürgermeister in Personalunion aus.
Somit hatte er Kenntnis über alle lokalpolitischen Maßnahmen der Partei
und war in behördlichen Dingen voll weisungsbefugt. Er konnte
Angestellte und Beamte der Gemeinde ernennen oder entlassen.
Diesbezüglich war er nur dem Landrat in Osterholz-Scharmbeck
Rechenschaft schuldig. Parteipolitisch jedoch war er den Weisungen des
Kreisleiters unterworfen, der darauf zu achten hatte, dass alle
Verfügungen der NSDAP-Reichsleitung in den Ortsgruppen seines Kreises
durchgesetzt wurden.
Das 4. Kreistreffen der NSDAP
Am 13. und 14.6.1936 war die Gemeinde Aumund Gastgeberin des 4.
Kreistreffens der NSDAP. Alle politischen Leiter des Kreises Osterholz
und Organisationen der Partei waren aufgerufen, auf gemeinsamen
Veranstaltungen ihre Verbundenheit mit den Zielen des
Nationalsozialismus und ihre Treue zum "Führer" zu bekunden.
Unter der Überschrift "Allen Partei– und Volksgenossen zum Gruß!"
appellierte Hillmann am 10.6.1936 in der Norddeutschen Volkszeitung
anlässlich der bevorstehenden Versammlungen an die Einwohner Aumunds:
"Wir wollen uns dieser Ehre würdig zeigen, indem wir alle restlos,
soweit wir den Gliederungen der Partei angehören, am Umzug und an den
Tagungen teilnehmen. Alle sonstigen Einwohner nehmen an der großen
Kundgebung teil und wohnen dem Vorbeimarsch vor dem Gauleiter bei, um
damit zum Ausdruck zu bringen, dass in unserer Gemeinde, die
wiedererstanden ist aus der Not der Systemzeit, die Weltanschauung des
Nationalsozialismus recht verstanden und gewürdigt wird."
Mit einer Werkausstellung des Bunds deutscher Mädel (BDM) wurde am
Sonnabendnachmittag die Tagung in der Schillerschule eröffnet. Im
Aumunder Sporthaus neben dem alten Rathaus fand am Abend ein
Kameradschaftstreffen mit eintausend geladenen Gästen statt. Die große
Tagung aller Funktionäre sowie Sondertagungen der Deutschen Arbeitsfront
(DAF), der Frauenschaften, Hitlerjugend, Kreisbauernschaft und anderer
Gliederungen wurden am Sonntagvormittag abgehalten. Zum Preis von 0,50
RM konnte jeder Teilnehmer in einem der zahlreichen Lokale zu Mittag ein
Eintopfgericht zu sich nehmen. Der Nachmittag war Sport– und
Musikveranstaltungen vorbehalten. Den Abschluss bildete ein großer
Propagandamarsch durch den Ort, der wegen "schlechten Wetters" aber nur
mäßig besucht war. Unter dem Leitspruch "Freut Euch des Lebens" klang am
Abend die Veranstaltung in den verschiedenen Lokalen Aumunds aus.
SCHWERPUNKTE DER GEIMEINDEPOLITIK HILLMANNS
Das neue Rathaus
Am 26.9.1936 fand im Beisein des Gauleiters Otto Telschow
(Hannover-Ost) die Einweihungsfeier des neuen Rathauses in Aumund statt.
Auf Veranlassung Hillmanns hatte die Gemeinde 1935 den alten Gutsbesitz
der Unternehmerfamilie Lange, die im 19. Jahrhundert auf Grohner Gebiet
eine Schiffswerft besessen hatte, auf dem Areal Nordstraße / Grüne
Straße / Langestraße (heute: Johann-Lange-Straße) von den Erben
angekauft. Das darauf befindliche Gebäude von 1847 samt Umgebung wurde
vom Bremer Architekten Baumgärtner repräsentativ zum neuen Mittelpunkt
der Großgemeinde Aumund umgestaltet. Umliegende Grundstücke wurden
wieder verkauft mit der Maßgabe, dort großzügige, zweistöckige
Bürgerhäuser zu errichten. Die Zufahrtstraßen zum Rathaus wurden
begradigt und mit Bäumen versehen. Die Grüne Straße mit einer neuen
Verbindung zur Zollstraße bekam den Namen Horst-Wessel-Straße, das
Rathaus die Nummer 3. Die Räumlichkeiten des alten Rathauses an der
Grenzstraße wurden an die NSDAP-Ortsgruppe und Gliederungen der SA
vermietet.
Die Aufschließung der Gemeinde
Der Austausch von Gemeindeflächen mit Blumenthal und Beckedorf zum
Zwecke rationeller Bewirtschaftung fand schon zu Amtszeiten anderer
Ortsvorsteher statt. Im Hinblick auf die Vergrößerung des
Gemeindegebietes und neue Siedlungsvorhaben setzte Hillmann diese Praxis
fort. Namens der Gemeinde kaufte er umfangreiche Weide– und
Ackerflächen am Nordrand von Aumund (Hammersbeck, Borchshöhe), um diese
für den Wohnungsbau zu erschließen. Kraft seines Amtes konnte er private
und geschäftliche Bauvorhaben in seinem Verwaltungsbezirk befördern
oder verhindern, je nach dem wie nützlich oder nicht sie für geplante
öffentliche Bauvorhaben waren. Er konnte auch Druck auf die Eigentümer
ausüben, wenn sie für Siedlungsvorhaben der Gemeinde nicht verkaufen
wollten. Grundlage war das neue Wohnsiedlungsgesetz von 1933, das die
"Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten" beinhaltete.
Hillmann schuf 1936 die Stelle eines Gemeindebaumeisters im
Beamtenstatus und berief Beiräte, die sich verstärkt um die Gebiete
Bauplanung, Finanzierung, Infrastruktur und technische Ausführung
kümmern sollten. Der erste Baumeister Emil Fitschen machte sich an die
Arbeit und entwarf für Aumund einen Bebauungs– und Bauzonenplan, den
Hillmann angeregt hatte. Hier wurden Wohn– und Gewerbegebiete
ausgewiesen, Grünflächen markiert, Verkehrswege projektiert. Es wurde
auch schon festgelegt, ob in Wohngebieten eingeschossig oder
zweigeschossig gebaut werden durfte und wie sich die Neubauten optisch
in die gewachsene Struktur einzufügen hatten.
Zwischen 1936 und 1939 wurden die erworbenen Flächen auf Aumunder
Gemeindegebiet bebaut und an das Hauptstraßennetz angebunden. Die
Adolf-Hitler-Straße (heute: Hammersbecker Straße), die Bahnhofstraße
(heute: Georg-Gleistein-Straße), die Talstraße (heute:
Meinert-Löffler-Straße), die Feldstraße (heute: Aumunder Feldstraße,
Dobbheide) sowie die Lerchenstraße wurden entsprechend ausgebaut.
Brachflächen sollten verschwinden und mit neuen Häusern und Gärten den
Bewohnern ein Stück Land geben, mit dem sie sich zusätzlich versorgen
konnten. Die neugeschaffenen Wohngebiete und neuen Straßen zwischen den
Hauptverbindungen brachten der Gemeinde nicht nur zusätzliche Grün– und
Kulturflächen, sondern auch neue Einnahmequellen für die Grundsteuer,
mit denen sich Aumund auf Dauer refinanzieren wollte.
In Hammersbeck ließ Hillmann zunächst 200 Siedlungshäuser planen und
bauen. Darunter befand sich eine Mustersiedlung für SA-Angehörige in der
"Straße der SA" (heute: Am Rivenkamp). 200 weitere Häuser waren in
Planung. Für den Verkauf der Kleinsiedlungsflächen waren umfangreiche
Fragebögen mit Auskünften zur politischen Einstellung, zum Beruf, zur
Abstammung und Gesundheit der Käufer auszufüllen. Wenn zu wenig oder
kein Eigengeld vorhanden war, halfen Arbeitgeberdarlehen weiter, die
Bauvorhaben zu realisieren.
Auf lange Sicht plante Hillmann auch die gründliche Sanierung der
Infrastruktur sowie die bessere Erschließung der Ortsmitte rund um die
zentrale Kirchenstraße (heute: An der Aumunder Kirche). Alt-Aumund
sollte mit neuen repräsentativen Eigenheimen verdichtet und zum urbanen,
lebendigen Mittelpunkt der Gemeinde werden. Hillmanns Vision war die
Schaffung eines modernen, an den Ortsrändern funktionalen, trotzdem
architektonisch ansprechenden Industrieortes mit vielen Gärten und
Grünflächen sowie Stätten für Sport, Kultur und Erholung.
Der Aumunder Heimatverein
Im Januar 1937 wurde der Heimatverein Aumund gegründet, zu dessen
Vorsitzenden Bürgermeister Hillmann gewählt wurde. Vorläufer waren der
Aumunder Verschönerungsverein sowie zwei Bürgervereine (Alt-Aumund und
Aumund-West), die sich Ende 1936 selber auflösten und im neuen
Heimatverein aufgingen. Die Pflege des Heimatgedankens sollte jetzt
gebündelt und gemeinsam umgesetzt werden. Mit Blick auf die
900-Jahr-Feier Aumunds 1940 wurde die Schaffung einer Gemeindechronik
und eines neuen Ortswappens in Angriff genommen. Zu den weiteren
Aufgaben des Heimatvereins zählte Hillmann die Einbeziehung der Bürger
bei der architektonischen Ausgestaltung und Verschönerung der Gemeinde.
Ausdrücklich betonte er auch die aktive Mitwirkung der Bevölkerung bei
der "Aufschließung" der Gemeinde für neue Siedlungsvorhaben und ihre
Bereitschaft zur Aufnahme neuer "Volksgenossen". Als Besonderheit galt
der Erwerb des Strandbades Lemwerder seitens der Gemeinde mit einem 700
Meter langen Badestrand, was Hillmann auf der Gründungsversammlung stolz
verkündete. Von einem Anleger in Fähr sollte in den Sommermonaten eine
Fähre zum gegenüberliegenden Erholungsgebiet pendeln.
ABSTIEG UND ENDE
Der Rücktritt als Ortsgruppenleiter
Im Verordnungsblatt der NSDAP (Gau Hannover-Ost) vom 2.10.1937 war zu
lesen: "Der Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe Aumund, Parteigenosse
Heinrich Hillmann, hat einen dreimonatigen Urlaub zur Wiederherstellung
seiner Gesundheit angetreten." Laut Gerichtsakten hatte Hillmann 1937
aber sein Parteiamt aufgegeben. Ein längeres parteiinternes Zerwürfnis
mit der Kreisleitung war dieser Entscheidung vorausgegangen, das mit der
Einstellung eines Gemeindeangestellten zu tun gehabt haben sollte.
Hillmann suchte Anfang 1935 einen leitenden Angestellten für seine
Verwaltung im Fürsorgewesen. Für das im Aufbau begriffene Jugendamt
brauchte er einen fähigen Kopf und entschied sich für einen Bewerber,
der vorher in Hemelingen als Gemeindesekretär tätig gewesen war, dort
aber entlassen wurde, weil er, Mitglied der SPD, nicht in die NSDAP
eintreten wollte. Hillmann stellte ihn aber trotzdem ein, weil ihm die
Qualifikationen des Bewerbers wichtiger waren. Er setzte aber davon
weder den Kreisleiter in Verden (Hemelingen gehörte damals noch zum
Kreis Verden) noch seinen eigenen Vorgesetzten in Kenntnis. Die Absicht
Hillmanns, den Angestellten nach dessen Eintritt in die NSDAP in den
Beamtenstand zu versetzen, erzürnte wieder seine Vorgesetzten, weil sie
Hillmanns Kompetenzen überschritten sahen. Der Angestellte galt in
Parteikreisen als Karrierist ohne Überzeugung. Diese Unstimmigkeiten
führten offenbar zu "gesundheitlichen Beschwerden" bei Hillmann und
letztlich zur Aufgabe seines Parteiamtes. Nach seinem "Urlaub" kehrte er
nicht wieder auf seinen Posten zurück. Sein Nachfolger wurde Heinrich
Degenhardt, Lehrer an der Volksschule Langestraße, der den Posten bis
1943 bekleidete.
Der Aumunder Synagogenbrand
Die Niederbrennung der Vegesack-Aumunder Synagoge am 10.11.1938 war
der damaligen Presse keine Erwähnung wert gewesen, obwohl mindestens
zweihundert Einwohner zugeschaut hatten, als das jüdische Bethaus der
staatlichen Willkür zum Opfer fiel. Eigentlich war die reichsweite
Aktion des Vorabends schon längst abgeblasen, als in Bremen
nachdrücklich befohlen wurde, die zögerlich agierende SA-Führung in
Vegesack und Aumund dazu anzuhalten, den "Abbruch" des kleinen
Gotteshauses an der Aumunder Kirchenstraße umzusetzen. Die genauen
Umstände und der Tathergang konnten nie lückenlos aufgeklärt werden.
Keiner der zahlreichen Zeugen war in der Lage gewesen, in dem
Schwurgerichtsverfahren, das elf Jahre später stattgefunden hatte, den
Tatvorgang eindeutig wiederzugeben. Die einzigen Beweisstücke lieferten
Fotografien, die der Aumunder Fotograf Carl Heitkamp vermutlich
unmittelbar vor der Inbrandsetzung gemacht hatte. Darauf waren
Angehörige der SA, Pressevertreter, zivile Helfer und der Aumunder
Bürgermeister Hillmann abgebildet. In respektloser Weise und ohne jeden
Anschein von Hektik hatten sie sich vor der Synagoge versammelt.
Widerstand war ohnehin nicht zu erwarten. Einer der abgebildeten
SA-Männer trug einen Benzinkanister; ein weiterer ziviler Helfer stützte
sich auf eine Axt; Bürgermeister Hillmann rauchte gemütlich eine
Pfeife. Er war am Morgen im Rathaus von dem verantwortlichen SA-Mann
Ernst Röschmann über die bevorstehende Tat unterrichtet worden. Auch die
Polizei und Feuerwehr erhielten Bescheid, dass um 15:00 Uhr die
Synagoge angesteckt werde, sie aber nicht löschen sollte. Die Neue
Straße und die Kirchenstraße füllten sich mit Nachbarn und Schulkindern,
die von der Aktion erfahren hatten und als Zuschauerkulisse agierten.
Der herbeigeeilte Synagogenvorsteher Jacob Wolff musste dann zusehen,
wie das über einhundert Jahre alte Kulturdenkmal in Flammen aufging.
Einige Tage später bekam er von der Aumunder Gemeindeverwaltung auch
noch die Rechnung für die Beseitigung der Ruinen und die
Wiederherstellung des Straßenbildes aufgetischt.
Die Eingemeindung nach Bremen
Mit der Eingemeindung von Aumund nach Bremen am 1.11.1939 verlor
Heinrich Hillmann sein Bürgermeisteramt. Die einst selbstständigen
Verwaltungen der preußischen Gemeinden nördlich der Lesum wurden zu
abhängigen Dienststellen der Stadt Bremen und in die bremische
Verwaltung eingegliedert. Ohne von dieser Entwicklung zu ahnen, hatten
Kommunalpolitiker noch drei Jahre zuvor in Aumund ein neues Rathaus
eingeweiht.
Die Verhandlungen über eine Verschmelzung der nordbremischen
Gemeinden mit der Stadt Bremen verliefen diskret und ohne Zeitplan. Nach
Einbuße der Landeshoheit 1934 stand die Stadt unter dem Zwang, die neue
deutsche Gemeindeordnung umzusetzen. Für Bremen war das ein Problem,
denn Stadt– und Landesverwaltung bildeten in der Freien Hansestadt immer
noch eine Einheit. Das garantierte ihre lokale Handlungsfreiheit und
ihr Überleben als Standort für Seeschifffahrt und Überseehandel. Den
drohenden Verlust seines Einflusses auf Gebiete außerhalb des Stadtkerns
versuchte Bremen immer aufzuhalten. Natürlich sorgte man sich auch um
die Posten und Privilegien der regierenden Stadt– und Landesväter, wovon
auch die neuen Herren der NSDAP betroffen gewesen wären.
Die Stadtgemeinde plante daher, den Stadtraum und damit ihre
hoheitlichen Ansprüche auf die bremischen Landgemeinden und aus
historischen Gründen auch auf Gebiete nördlich der Lesum auszuweiten.
Zur Debatte stand, aus Bremen einen eigenen Reichsgau zu machen, um
seine Unabhängigkeit zu wahren. Durch Flächenvergrößerung des
Stadtgebietes wollte sich Bremen für diese Wunschoption rüsten.
Priorität hatte für die Bremer Verhandlungsführer ein Groß-Bremen von
Mahndorf bis Farge, in dem es genug Raum für seine Hafenwirtschaft,
Industriebetriebe und Siedlungspläne gab. Dafür hatten sie überzeugende
Argumente.
Für die gegnerische preußische Seite kam das überhaupt nicht in
Frage. Für sie war nur ein Zusammenschluss der preußischen Gemeinden an
der Weser, vorzugsweise auch mit der bremischen Stadtgemeinde Vegesack
als neuen Mittelpunkt, denkbar. In der "Vierten Verordnung zum Neuaufbau
des Reiches" vom 28.9.1939 wurde aber ganz im Sinne der Stadt Bremen
entschieden. Preußen hatte zwar das Nachsehen, aber die eingemeindeten
Gebiete an Weser und Lesum nahmen die Gebietsreform überwiegend positiv
auf, weil das schon immer ihren Wünschen entsprochen hatte. Am
12.11.1939 verließen die nordbremischen NSDAP-Ortsgruppen den Kreis
Osterholz und gingen in dem neu gebildeten NSDAP-Kreis Bremen-Lesum (=
Bremen-Nord) auf, der zum Gau Weser-Ems gehörte. Sein erster Kreisleiter
war Otto Denker, der bis 1943 in Vegesack amtierte.
Hillmann als Kriegsaushilfsangestellter
Nach der Überleitung der Gemeindeverwaltungen in bremische
Verhältnisse hofften ehemalige Bürgermeister und Gemeindebeamte auf
adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten in der Stadt Bremen. Einige von
ihnen wurden in die annektierten Ostgebiete (Westpolen) versetzt, um
dort in den Verwaltungen tätig zu sein. Hillmann, inzwischen 57 Jahre
alt, bekam vom bremischen Personalamt eine Beschäftigung als
"Kriegsaushilfsangestellter" zugeteilt. Vom 1.5.1940 an besetzte er eine
frei gewordene Stelle beim bremischen Ernährungs– und Wirtschaftsamt.
Man übertrug ihm eine leitende Position in der Abteilung B –
Markenkontrolle. Das Ernährungsamt war kriegsbedingt für die
Bewirtschaftung von Rohstoffen und Nahrungsmitteln zuständig. Zu seinen
Kernaufgaben zählten die Rationierung aller lebensnotwendigen Güter und
ihre Verteilung in Form von Bezugsscheinen und Marken an die
weiterverarbeitende Industrie und an die Bevölkerung.
Kriegsortsgruppenleiter von Alt-Aumund
Am 1.10.1943 wurde Hillmann vom neuen Kreisleiter in Bremen-Lesum
Carl Busch als NSDAP-Ortsgruppenleiter von Alt-Aumund (Aumund-Ost)
eingesetzt. Er folgte kommissarisch seinen eigenen Nachfolgern Heinrich
Degenhardt und Gerhard Blume nach, die zur Wehrmacht eingezogen worden
waren. Personalmangel machte altes Parteiengezänk vergessen. In
Kriegszeiten waren die Ortsgruppen zuständig für die "Organisation der
Heimatfront". Dazu gehörten die Überwachung des Luftschutzes, die
Versorgung der Bevölkerung mit Brennstoffen, Lebensmittel– und
Kleidermarken sowie die Unterbringung von Obdachlosen nach
Bombenschäden. Mit weltanschaulichen Schulungen der Parteigenossen und
in Vorträgen auf öffentlichen Versammlungen propagierten die Ortsgruppen
unermüdlich die "Treue zum Führer" und die Aussicht auf ein siegreiches
Ende des Krieges. Damit einhergehend wurden Kritiker, die den
Durchhalteparolen keinen Glauben mehr schenkten, bei ihnen denunziert.
Bei Weiterleitung der Anzeige führte das zur Verhaftung durch die
Gestapo.
Leiter der Dienststellen in Blumenthal und Vegesack
Am 1.10.1944 wurde Hillmann die Leitung der Dienststellen in
Blumenthal und Vegesack übertragen, weil die dortigen Amtsleiter zur
Wehrmacht eingezogen worden waren. Die Dienststellen waren die
ehemaligen Bürgermeisterämter der Gemeinden, Vorläufer der heutigen
Ortsämter. Sie sorgten dafür, dass die regulären Tätigkeiten der
Ortsverwaltungen auch während des Krieges trotz eingeschränkter
Öffnungszeiten irgendwie aufrecht erhalten wurden. Es ist schwer
vorstellbar, dass die Dienststellenleiter keine genaueren Kenntnisse
über die Situation auf den geheimen Baustellen der NS-Rüstungsindustrie
und in den Arbeitslagern in ihrem Gebiet gehabt hatten. Neben der
Bewachung der Häftlinge auf den Baustellen und in Wohnlagern durch
SS-Einheiten mussten auch die Arbeiten beaufsichtigt werden. Das wurde
von älteren, technisch ausgebildeten Fachkräften erledigt, die von der
Außenstelle des Bremer Arbeitsamtes in Aumund mit UK-Vermerk bereit
gestellt wurden. Keiner dieser Fachkräfte durfte die Arbeitsstelle ohne
Genehmigung des Arbeitsamtes verlassen. Mit der "Unabkömmlichkeit" (UK)
war gleichzeitig eine Einberufung zur Wehrmacht ausgeschlossen.
In den letzten Kriegsmonaten liefen die Bauarbeiten auf der
Bunkerbaustelle "Valentin" in Bremen-Farge auf Hochtouren. Hunderte von
Zwangsarbeitern, darunter auch KZ-Häftlinge, schufteten hier noch für
den "Endsieg". Die Materialbeschaffung und die Versorgung der von der
Bevölkerung abgeschirmten Häftlinge mit Lebensmitteln und Kleidung
wurden immer prekärer. Alliierte Fliegerangriffe auf Werften,
Schienenwege und Wohngebiete in Bremen-Nord machten die Situation auf
den Baustellen und an anderen Orten, wo Zwangsarbeiter eingesetzt waren,
noch angespannter. Die Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge fristeten in
Barackenlagern auf der Bahrsplate in Blumenthal und entlang der heutigen
Lagerstraße in Farge-Rekum, die bis Schwanewede reichte, ihr Dasein.
Den Verantwortlichen in den Stadtteilverwaltungen, darunter auch
Dienststellenleiter Hillmann, konnten die trostlosen Zustände dort nicht
verborgen geblieben sein. Trotz des billigend in Kauf genommenen
Prinzips "Vernichtung durch Arbeit" mussten die Menschen mit dem
Notwendigsten versorgt werden, um arbeitsfähig zu bleiben; Kranke
mussten behandelt und Tote beerdigt werden. In welchem Ausmaß die
Amtsleiter in die Geschehen dort involviert waren und welche Art
Amtshilfe geleistet werden musste, ist bis heute nicht im Detail
bekannt.
Lagerhaft
Nach der Kapitulation wurde Hillmann am 15.5.1945 vom britischen
Militär in Aumund verhaftet und zunächst in ein Lager nach Westertimke
bei Tarmstedt eingewiesen. Im Rahmen des "automatischen Arrests" wurden
alle in ihren Wohnorten verbliebenen politischen Leiter der NSDAP von
den Amerikanern und Briten verhaftet. Die Sieger befürchteten
Zusammenrottungen überzeugter Nazis, die im Untergrund ihre
Propagandatätigkeit fortsetzen und Mordanschläge auf Angehörige der
Alliierten vorbereiten konnten. In zum Teil Jahre andauernden
Aufenthalten warteten die Inhaftierten auf weitere Maßnahmen bzw. auf
ihre Gerichtsverfahren. Hillmann verbrachte das letzte Jahr seiner
Lagerhaft in Darmstadt (Civil Internment Camp Nr. 91). Von dort wurde er
1947 wieder nach Bremen überstellt und saß in Untersuchungshaft im
Lager Riespott ein, weil gegen ihn auch strafrechtliche Ermittlungen
wegen Beihilfe zur Brandstiftung an der Aumunder Synagoge im Gang waren.
Gleichzeitig befragte die Ermittlungsstelle des bremischen Amtes für
politische Befreiung in Vegesack Zeitzeugen, um das
Spruchkammerverfahren gegen Hillmann vorzubereiten. Hier hatte er sich
wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP und seiner Tätigkeit als
Ortsgruppenleiter zu verantworten.
Die Urteile
Im Prozess gegen den ehemaligen Bürgermeister Hillmann und
SA-Sturmführer Röschmann wegen ihrer Beteiligung an der Zerstörung der
Aumunder Synagoge konnten keine schlüssigen Beweise für eine direkte
Tatbeteiligung gefunden werden. Das Gericht hatte allerdings auch
erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Aussagebereitschaft einer
Reihe von Zeugen, die widersprüchliche Angaben zum Tathergang gemacht
hatten. Die Angeklagten wurden daher am 27.5.1949 vom Bremer
Schwurgericht vom Vorwurf der Mittäterschaft zunächst freigesprochen.
Dieses Urteil wurde in einem von der Staatsanwaltschaft begehrten
Revisionsverfahren 1950 für Hillmann bestätigt. Der Mitangeklagte
Röschmann erhielt nun wegen Landfriedensbruchs ein Jahr Gefängnis. Dass
er sich zum Zeitpunkt der Tat zwischen der Synagoge und den
Absperrketten aufgehalten hatte, wurde als Beweis dafür herangezogen.
Zwei Monate später erging das Urteil im Spruchkammerverfahren.
Hillmann wurde in die Kategorie "belastet" eingestuft, zu drei Jahren
"Sonderarbeit" in einem Arbeitslager sowie zu 1000 DM Strafe verurteilt.
Außerdem mussten die Prozesskosten getragen werden. Hinzu kam die
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, ein Berufs– und Fahrverbot
sowie die Streichung aller Renten– und Pensionsansprüche.
In einem Berufungsverfahren konnte Hillmann die Einordnung in "minder
belastet" nicht erreichen, weil die Anschuldigungen von Zeugen, die
durch ihn schwere Nachteile erlitten hatten, zu schwer wogen und seine
Stellung als Ortsgruppenleiter kein anderes Urteil zuließ. Nur die
Geldstrafe und Zahlung der Gerichtsgebühren wurden ihm erlassen, weil er
nachweislich über kein Einkommen verfügte. Die auferlegte Haftstrafe
war mit seinen Lageraufenthalten bereits verbüßt.
Am 22.7.1952 wurde Hillmann in einem Gnadenakt des Präsidenten des
Senats Wilhelm Kaisen als "Mitläufer" heruntergestuft. Diese
Rechtsstellung hob das umfassende Tätigkeitsverbot auf und gab ihm seine
Bürgerrechte zurück. Nur die Ansprüche auf Pension aus seiner
Dienstzeit als Beamter und Angestellter im öffentlichen Dienst, die er
"wegen offensichtlicher Bindung zur NSDAP erlangt hat", blieben ihm
versagt.
Text: Walter Schörling © 2014
Lektorat: Marita Rothe, Karsten Ellebrecht
Quellenangaben
Zur Person Heinrich Hillmann
Personalakte. Bremer Staatsarchiv: Sig. 4,92 Pers 81
Spruchkammerakten, Ermittlungs– und Strafakten. Bremer Staatsarchiv: Sig. 4,66 I 4584 / 4585
Gerichtsakten auf Mikrofilm. Bremer Staatsarchiv: FB 2647 I Sig. 4,89 / 2 – 455 u. 456
Zur Geschichte der Firma Heinrich Hillmann
Eintragungen im Handelsregister. Staatsarchiv Bremen: Sig. 4,75/5 – 3737
Zur Geschichte Aumunds und der Amtsführung Hillmanns
Diverse Archivalien zur Geschichte des Ortsteils, Fotos. Heimatarchiv Vegesack
900 Jahre Aumund. Norddeutsche Volkszeitung vom 17./18.8.1940
Findbuch Aumund / Gemeindeunterlagen / Diverse Akten. Bremer Staatsarchiv: 6,6/6
Findbuch Vegesack / Gemeindeunterlagen / Presseausschnitte. Bremer Staatsarchiv: 6,11
Findbuch Blumenthal / Gemeindeunterlagen / Diverse Akten (noch unvollständig). Bremer Staatsarchiv: 6,6/4
Prozess der Angliederung an Bremen 1917-1943. Dazu gibt es im
Staatsarchiv Stade unter Rep 180 A 70 und im Kreisarchiv Osterholz
diverse Akten einzusehen.
Literatur (Auswahl)
Ahlers, Wiltrud u. a., Stolpersteine in Bremen (Region Nord), Bremen 2013
Broszat, Henke u. Woller (Hg.), Von Stalingrad bis zur Währungsreform, München 1988
Buggeln, Marc, Der U-Boot-Bunker 'Valentin', Bremen 2010
Dehnkamp, Willy, Von unten auf. Die sozialistische Arbeiterbewegung in Bremen-Nord, Bonn 1986
Hofer, Walter (Hg), Der Nationalsozialismus – Dokumente 1933-1945, Frankfurt 1957
Lindemann, Ingbert, "Die H. ist Jüdin!", Bremen 2009
Lührs, Wilhelm, "Reichskristallnacht" in Bremen 1988
Maser, Werner, Das Dritte Reich, Alltag in Deutschland von 1933-1945, München 1983
Rübsam, Rolf, Sie lebten unter uns. Gedenken an die Opfer der "Reichskristallnacht" 1938 in Bremen und Umgebung, Bremen 1988
Schminck-Gustavus (Hg), Bremen kaputt, Bilder vom Krieg 1939-1945, Bremen 1983
Schwarzwälder, Herbert, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 4, Hamburg 1985
Stabenau, Hanspeter (Hg), Lebensraum Bremen-Nord – Geschichte und Gegenwart, Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 1989, Band 31
|