Der Kranich als Friedenssymbol

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Franco-Paselli Friedenspreis 2024

Der FRIEDENSPREIS der
Internationalen Friedensschule Bremen
wurde am 12.06 2024 an Patrizia Zanasi vergeben



Dies ist die von Ekkehard Bohne gehaltene Laudatio in deutscher Übersetzung:


Liebe Patrizia, lieber Herr Sgolik (Ortsamtsleiter), liebe Gäste aus Italien, liebe Freunde der Friedensschule, liebe Gäste,
Wir möchten, dir, Patrizia, heute den Franco Paselli Friedenspreis überreichen.

Franco Paselli wurde am 20. August 1944 in Marzabotto geboren. Im September 1944 zerstörten Einheiten der deutschen Wehrmacht und der SS Division die gesamte Region in und um Marzabotto. Dabei töteten sie über 770 Bewohner, hauptsächlich Frauen und Kinder. Die Familie Paselli hat in den Bergen in dem kleinen Dorf San Martino Zuflucht gesucht, weil sie sich dort sicherer fühlten. Aber die deutschen Soldaten kamen auch nach San Martino. Franco Paselli wurde am 30. September 1944 im Alter von 40 Tagen erschossen. Auch seine Familie überlebte nicht. Franco Paselli war eines der jüngsten Opfer dieses schrecklichen Massakers.

Mit dem Franco Paselli Friedenspreis werden Personen geehrt, die sich aktiv für Frieden und Völkerverständigung eingesetzt haben.

Im August 1996 bist du mit deiner Familie das erste Mal nach Bremen gekommen. In dem Vorwort zu einem Buch von Orlando Materassi mit dem Titel Bunker Valentin beschreibst du deine ersten Eindrücke von dieser idyllischen Landschaft und fühltest dich an die Märchen der Gebrüder Grimm erinnert ... Du schreibst von dem herzlichen Empfang der deutschen Freunde und wie ihr euch wohlgefühlt habt. Dann aber sind Gerd und Uschi mit euch zum Bunker gefahren und ihr wart entsetzt. Dieses riesige Ungetüm, das hauptsächlich durch Zwangsarbeiter errichtet worden war, erzeugte in euch ein Gefühl der Angst und des nicht Begreifen Könnens. Es waren IMIs (italienische Militärinternierte) am Bau beteiligt.

Auch dein Vater wurde 1943 als Soldat von den Nazis gefangen genommen und in einem Lager in Polen, vermutlich Auschwitz, interniert. Obwohl er diese schrecklichen Erlebnisse in Deutschland gehabt hat, entschied er sich, dich nach Bremen zu begleiten. Es war sehr schwer für ihn in das Land seiner Peiniger zu fahren. Die Reise verhalf ihm dazu, Frieden mit seiner Vergangenheit zu schließen, die ihn nachts immer wieder heimsuchte.

Deine Großeltern waren Sozialisten, die das faschistische System ablehnten. Ein Onkel war Politkommissar der Partisanen und wurde in den Tagen des Massakers in Bologna erschossen.

Ein Grund für unsere Städtepartnerschaft war es, diese schreckliche Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten.

Den Anstoß für diese Freundschaftsbeziehung entstand 1985 von Dante Cruicchi dem damaligen Bürgermeister von Marzabotto und dem Hans Koschnick aus Bremen. Beide hatten Internierung erlebt und wollten sich am Aufbau des Weltfriedens beteiligen und das geht nur über eine Versöhnungspolitik. Gerd Meyer vom Bürgerhaus Vegesack hat die Idee aufgegriffen und einen offiziellen Freundschaftsvertrag zwischen Marzabotto und Bremen Vegesack entwickelt.

Neben den regelmäßigen Familien-Workcamps gab es weitere Aktivitäten. Im Rahmen der Friedensschule fanden Bildungsseminare statt, zu denen auch Israelis und Palästinenser eingeladen waren. Es gab Kulturaustausche mit Sportgruppen, auch der Chor „Zwischentöne“, mit dem Chorleiter Wilhelm Torkel, fuhr nach Marzabotto, Gedenkstätten wurden gemeinsam besucht.

Neben den regelmäßigen Familien-Workcamps gab es weitere Aktivitäten. Im Rahmen der Friedensschule fanden Bildungsseminare statt, zu denen auch Israelis und Palästinenser eingeladen waren. Es gab Kulturaustausche mit Sportgruppen, auch der Chor „Zwischentöne“, mit dem Chorleiter Wilhelm Torkel, fuhr nach Marzabotto, Gedenkstätten wurden gemeinsam besucht.

Schnell hast du beim Workcamp dein Organisationstalent eingebracht: du musstest sehr spontan ein Abendessen für 100 Personen zusammenstellen, bei dem der Bremer Bürgermeister anwesend war.

Schon 2 Jahre, nachdem du das erste Mal in Bremen gewesen bist, kamst du mit einer 3. Schulklasse aus Marzabotto nach Bremen-St. Magnus. In deiner Funktion als Lehrerin entwickeltest du einen Briefwechsel zwischen italienischen und deutschen Grundschülern. Das stelle ich mir wegen der Sprache nicht einfach vor. Der Austausch wurde 2003 wiederholt.

Ab 2000 hast du gemeinsam mit Uschi Kongi die meisten Aktivitäten der Städtepartnerschaft organisiert. Nicht nur die Workcamps habt ihr vorbereitet, sondern auch Gedenkveranstaltungen und gegenseitige Einladungen zu besonderen Anlässen. So war auch ich einmal zur Teilnahme am Friedensmarsch nach Perugia eingeladen. Uschi hat auf einer Gedenkveranstaltung zum Massaker gesprochen. In dieser Zeit hast du aktiv in der Kommune im Bereich Bildung und Kultur gearbeitet und die internationalen Beziehungen gestaltet. Die Verbindung nach Bremen hast du immer besonders leidenschaftlich und freundschaftlich unterstützt.

Nach dem Tod von Uschi Kongi 2010 organisierte Gerd Meyer noch 2011 ein Bildungsseminar in Marzabotto, danach ruhte die Städtepartnerschaft.

Aber: Die privaten Verbindungen, besonders zu Gerd Meyer sind geblieben. 2018 hast du Mitglieder der Friedensschule privat eingeladen, den Tag der Befreiung vom Faschismus am Monte Sole gemeinsam zu feiern. Marco Eggert von der Deutsch-Italienischen Gesellschaft hat dich angesprochen und du hast für die von ihm organisierte Gruppe den Aufenthalt am Monte Sole organisiert.

2021 hast du die Initiative ergriffen, uns gemeinsam auf den von den Präsidenten unserer Länder ausgeschriebenen Preis zur Förderung der Partnerschaften zu bewerben. Wir hatten nur eine Woche Zeit aber durch Deine Vorleistung konnten wir den Antrag rechtzeitig abgeben. Als Ergebnis gab es zwar keine Förderung, aber dein Engagement bewirkte einen neuen offiziellen Austausch zwischen der Kommune Marzabotto und dem Ortsamt Vegesack. Du hast in der Kommune Marzabotto die Einladung des Ortsamtsleiters und auch die darauffolgende Reise der Kommune-Vertreter nach Vegesack organisiert. Damit war der Freundschaftsvertrag von 1990 mit neuem Leben erfüllt.

Und es geht weiter: Im vergangenen Jahr hast du als Präsidentin vom Verband ehemaliger Militärinternierten (ANEI) Marzabotto Vertreter aus Bremen nach Italien eingeladen. Im Rahmen des Jahrestages des Massakers am Monte Sole wurde das Buch von Orlando Materassi über den Bunker Valentin in Farge, zu dem du das Vorwort geschrieben hast, vorgestellt. Wir haben zur Städtepartnerschaft referiert.

Auch die Einladung der hier anwesenden Gruppe vom „Istituti professionali alberghieri di Casalecchio di Reno“ wäre ohne dich nicht möglich gewesen. Du hast erste Gespräche geführt und mehrmals Anträge geschrieben, um Geld für die Anreise zu bekommen. Vielen Dank!

Die Friedensarbeit von dir beschränkt sich aber nicht nur auf den Austausch mit Bremen. Bis 2009 warst du erst im Stadtrat und später als Abgeordnete in der Kommune Marzabotto tätig. Als Mitglied der Union der Märtyrerstädte hält die Kommune unzählige Verbindungen in die Welt.

Als Grundschullehrerin warst du in der Lehrerausbildung tätig und hast unter anderem ein Schulbuch entwickelt, in dem auf dem Niveau für Kinder die Zeit des Faschismus in Marzabotto aufgearbeitet wird.

Heute engagierst du dich als Präsidentin im Verband ehemaliger Militärinternierten (ANEI) Marzabotto und hast im vergangenen Jahr auch eine italienische Gruppe nach Bremen begleitet.

Du bist aber auch in der Region Barcelona aktiv. Gemeinsam mit dem katalanischen Justizministerium und anderen örtlichen Organisationen entstand ein Buch über Amedo Nerozzi dem ersten antifaschistischen Bürgermeister von Marzabotto. Er hat im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft und starb in dem Gebiet des Ebros.

Aktuell betreibst du auch historische Forschung. Es handelt sich um eine Recherche zum Thema italienischer Militärinternierter, die das gesamte Gebiet der Bologneser Berge betrifft. Die Arbeit wirst du in einem Buch veröffentlichen.

Patrizia, du lebst internationale Friedensarbeit!

Die Internationale Friedensschule Bremen bedankt sich bei dir für dein leidenschaftliches Engagement und freut sich auf weitere spannende Begegnungen, um den Gedanken des Friedens zu unterstützen.

Das ist der Preis, ein Kranich, wie ihn Sadako hundertfach gefaltet hat und hier die Urkunde


Die Kranich-Skulptur für den Friedenspreis wurde von Mitgliedern der Metallwerkstatt in der JVA Bremen angefertigt. Sie ließen sich inspirieren vom Modell der Kranich-Skulptur, die der am 21.2.2003 verstorbene Künstler Fritz Stein aus Bremen 1998 entworfen hatte.

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