Der Kranich als Friedenssymbol

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Die Städtepartnerschaft Marzabotto – Bremen-Vegesack ist wieder aktiv:

Der Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt und der Beiratssprecher Torsten Bullmahn waren anlässlich des italienischen Nationalfeiertages zur Befreiung vom Faschismus am 25.4.2022 offiziell von der Partnergemeinde eingeladen.

Die Politiker wurden begleitet von Mitgliedern der Friedensschule und der Deutsch- Italienischen Gesellschaft Bremen. Mit Minibussen wurden wir am 23.4.2022 von Bologna aus auf den Monte Sole gefahren. Hierbei handelt es sich um einen Höhenzug, der etwa 25 km südlich von Bologna zwischen dem Tal des Setta und dem des Reno liegt. In diesem Gebiet gab es vor dem 2. Weltkrieg mehrere Gehöfte, manche waren zusammengefasst und hatten sogar eine kleine Kirche. Ende September und Anfang Oktober 1944 zerstörten Einheiten der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ und der deutschen Wehrmacht viele dieser kleinen Weiler und ermordeten bis zu 2000 hauptsächlich Frauen und Kinder. In Casaglia z.B. hatten sich die Menschen zum Schutz in eine Kirche geflüchtet. Sie wurden von den Deutschen auf einen nahegelegenen und von Mauern umgebenen Friedhof getrieben, mussten sich der Größe entsprechend aufstellen und wurden erschossen.



Bei unserem Rundgang zu den Gedenkstätten am ersten Tag standen wir auf diesem Friedhof und blickten auf das Haus, in dem der Kommandant des Massakers Walter Reder damals sein Quartier hatte. Er wurde verurteilt aber 1985 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Bei der Einreise nach Österreich wurde Reder durch den damals amtierenden FPÖ-Verteidigungsminister mit Handschlag in Empfang genommen. Wir diskutierten an diesem Ort über die anderen Kriegsverbrecher, die in Italien verurteilt worden sind aber von Deutschland nie ausgeliefert wurden.

Am Samstag wurden wir von unserem Quartier im Poggiolo (ein Gästehaus auf dem Berg Monte Sole in herrlicher Umgebung) abgeholt und zum Sacrario in Marzabotto gefahren. Es handelt sich um einen Raum unter der Kirche, in dem der Opfer der Weltkriege gedacht wird. Hier sind an den Wänden die 770 Namen der bei dem Massaker am Monte Sole Ermordeten verzeichnet.



Hinter dem Namen Franco Paselli steht: Alter 1 Monat. Links und rechts neben der Treppe zu diesem Raum befinden sich die Namen vieler anderer Märtyrerstädte (Ouradour, Kalavrita, Srebrenica…...), mit denen Marzabotto seit Jahren verbunden ist.
Uns empfing der stellvertretende Bürgermeister Bruno Spadoni und der Vorsitzende des Komitees zur Ehrung der Opfer Valter Cardi und sie erklärten uns die Besonderheiten in diesem Raum. Die Bremer Delegation hat hier zum Gedenken an die Opfer einen Kranz niedergelegt.

Es gibt etwas Neues in Marzabotto: das Casa della Cultura e della Memoria a Marzabotto.



Valter Cadi hat uns durch die Räume geführt. In dem Museum ist beschrieben, wie früher die Menschen am Monte Sole gelebt haben, die Situation der Partisanen wird gezeigt und auch Einzelheiten zum Massaker vom September 1944 findet man hier. Am Ende des Rundgangs haben wir mit Valter Cadi Gastgeschenke ausgetauscht.





Ab Mittag waren wir zu einer Buchvorstellung in der Scuola di Pace di Monte Sole (Friedensschule) eingeladen. Die Lektüre handelt von einem Überlebenden des Massakers, der 1944 noch ein Kind war. Martin Schulz hat zu diesem Buch von Daniele Susini das Vorwort geschrieben. Als Präsident im Europäischen Parlament besuchte er auf einer seiner ersten Auslandsreisen Marzabotto und lernte hier einen der letzten Überlebenden kennen. Er war zu tiefst betroffen von den Schilderungen und dem persönlichen Leid von Franco Leoni und ist deshalb auch dieses Jahr wieder zum Monte Sole gereist. Bei der Veranstaltung war auch der ehemalige Generalstaatsanwalt Marco De Paolis anwesend, der von den Prozessen berichtete, die in Italien gegen die Kriegsverbrecher geführt worden sind.



Vor Beginn der Veranstaltung hatten wir Gelegenheit, Martin Schulz einige Einzelheiten zu unserer nun schon 31 Jahre währender Partnerschaft zwischen Marzabotto und Vegesack zu beschreiben. Ihm war nur bekannt, dass das Bundesland Hessen einen Austausch mit der italienischen Kommune pflegt. Ob der frühere Europapolitiker sich keinen Dolmetscher leisten konnte, wussten wir nicht, jedenfalls musste unser Reiseorganisator Marco Eggert von der Deutsch Italienischen Gesellschaft auch hier die offiziellen Reden übersetzen. Er wurde sogar gebeten, bei weiteren Gedenkveranstaltungen des Tages seine guten Sprachkenntnisse anzuwenden.

John Gerardu hatte noch Gelegenheit mit der Leiterin der Friedensschule zu sprechen. Er vertrat das Lidice-Haus in Bremen und sie diskutierten ein Projekt, das mit Jugendlichen aus Marzabotto, Lidice und Bremen durchgeführt werden kann.



Besonders emotional war die Stimmung am Abend bei einem Fackellauf durch Grizzana Morandi, einem kleinen Ort 30 km südlich von Marzabotto. Auch hier war Martin Schulz anwesend und legte an der Gedenkstätte einen Kranz nieder. Die Kapelle spielte natürlich Bella Ciao und auch die italienische Nationalhymne. Dass man aber bei diesem von den Deutschen angerichtetem Leid auch die Melodie des Deutschlandliedes erklingen lässt, ist sicherlich ein Zeichen der Versöhnung. An diesem Abend durfte auch unser Ortsamtsleiter noch einige Worte an die Bewohner des Ortes richten bevor Martin Schulz seine emotionale Rede hielt. Begleitet hatten uns an diesem Abend Patrizia und der stellvertretende Bürgermeister von Marzabotto.

Der 25. April ist in Italien ein wichtiger Nationalfeiertag. Am Monte Sole ist es der Anlass zu einem wunderbaren Fest. In der Nähe des Poggiolo wurden schon am Vortag kleine Zelte aufgebaut, der Parkplatz füllte sich mit Wohnmobilen und auf der überdachten Terrasse befestigten Jugendliche ihre Hängematten an den Balken. Es wurde davon gesprochen, dass man mehrere tausend Besucher erwarten würde.

Wir liefen rüber nach San Martino, wo ein Podest aufgebaut war, dekoriert mit Fahnen der Kommune, der Region, Friedensfahnen und der Überschrift: MONTE SOLE 25. APRILE 2022 77° ANNIVERSARIO DELLA LIBERAZIONE.



Eine Kapelle spielte die Nationalhymne und zwei Nonnen aus dem nahegelegenen Kloster eröffneten die Gedenkveranstaltung mit dem Vaterunser. Das war sicherlich Ausdruck des Stellenwertes der Kirche in Italien, man muss aber auch wissen, dass die erste Erinnerungskultur hier in dieser Region von den Katholiken erbracht wurde. Valter Cadi hielt die erste Rede, danach sprach die Bürgermeisterin von Marzabotto.



Der Ortsamtsleiter von Vegesack Heiko Dornstedt übermittelt Grüße vom Bremer Bürgermeister Bovenschulte und erinnerte an den ersten Kontakt zwischen Dante Cruicchi, den früheren Bürgermeister von Marzabotto und Hans Koschnick aus Bremen. Er brachte seine Betroffenheit zu den Geschehnissen im September 1944 zum Ausdruck, formulierte auch eine Entschuldigung und lobte das heutige friedliche Zusammenleben von Italienern und Deutschen. Er verurteilte den Krieg in der Ukraine und rief dazu auf, Kinder zu einem friedlichen Miteinander zu erziehen.

Danach sprach Roberto Fico Präsident der Abgeordnetenkammer Italiens. Unter anderem nannte er die Zustimmung zur Militärhilfe für die Ukraine eine weise Entscheidung. Frau Cuppi hatte sich da nicht so festgelegt, sie möchte sicherstellen, dass jeder selbstbestimmt auf der Grundlage der Demokratie leben kann. Einer der letzten noch lebenden Partisanen saß auch auf dem Podium: Ferruccio Laffi. In einem Interview wies auch er darauf hin, dass sie damals Waffen benötigt haben um sich und ihre Häuser verteidigen zu können.



Zum Mittagessen waren wir im Zelt der Kommune eingeladen. Hier gab es auch die Gelegenheit für ein paar Worte zwischen der Bürgermeisterin von Marzabotto Valentina Cuppi und Heiko Dornstedt. Dabei wurde auch über die Einladung einer Delegation aus unserer Partnergemeinde zum Fest Vegesack Maritim im August gesprochen.



Am Nachmittag waren alle Wiesen um das Poggiolo mit jungen und älteren Leuten belegt. Es wurde getrunken, gegessen, gespielt, getanzt und einfach gefeiert. Die Band spielte bis morgens um zwei.

Heiko Dornstedt hatte noch eine sehr emotionale Begegnung: Nach seiner Rede auf dem Podium wurde er von einem Mann angesprochen, der ihm erzählte, dass sein Großvater als Kind nur knapp dem Massaker entgangen ist. Der Großteil der Familie wurde ermordet. Es soll eine sehr berührende Situation gewesen sein und dem Mann standen die Tränen in den Augen.

Mir ist aufgefallen, dass wir wenige Personen getroffen haben, die wir aus der aktiven Zeit der Städtepartnerschaft kannten. Natürlich waren wir mit Patrizia und Tulio zusammen und den früheren Bürgermeister Romano Franci haben wir auch getroffen, aber bei früheren Begegnungen hatten wir mehr Kontakt zu den Freunden. Es ist sicherlich möglich, dass einige gestorben sind. Luigi z.B. hatte sich immer um die Teilnehmer der Workcamps gekümmert und diese auch in sein Haus eingeladen. Nun wohnen zwei junge Familien auf seinem Grundstück, das auf dem Weg nach Casaglia liegt. 2019 hatten wir mit ihm noch wie früher die große und auch die kleine Politik diskutieren können aber im Februar 2020 ist er gestorben.

Vor dem Rückflug nach Bremen bekamen wir noch eine Stadtführung in Bologna. Begonnen hatten wir am Piazza Maggiore mit dem D´Accursio Palast. Die Basilika San Petronio steht gegenüber dem Königspalast und wurde ursprünglich als Gegenkirche geplant. Heute wird sie gut bewacht weil es hier ein Bild gibt, das die Muslime provoziert. Weiter ging es zur ältesten Universität und zur Basilika San Domenico. Auch wenn es geregnet hätte wären wir wegen der unzähligen Arkaden trocken zu den zwei Türmen gekommen. Im Mittelalter gab es in Bologna mehr als 100 dieser Türme. Man wollte hiermit seinen Reichtum zum Ausdruck bringen und gleichzeitig dienten diese auch der Sicherheit vor Angreifern. Die Stadt war ursprünglich von Wasseradern geprägt, den letzten Kanal kann man sich durch ein Fenster in der Via Piella ansehen.

Am Dienstag den 31.5.2022 um 18:30 Uhr gab es im Rahmen der Beiratssitzung einen Bericht zu der Fahrt in die Partnergemeinde.

Vom 4. bis 7. August fand der Gegenbesuch unserer Partnergemeinde in Vegesack statt.
Hier geht es zu einem ausführlichen Bericht

Fotografische Eindrücke früherer Seminarreisen nach Marzabotto

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