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Ansprache von Pierre Billaux
anlässlich der Einweihung der Installation "Stein der Hoffnung"

Junge deutsche Freunde,

Ich bin ein Ehemaliger des Konzentrationslagers auf der Bahrsplate. Ich war in eurem Alter, 19 Jahre alt, als ich an diesen verwünschten Ort verschleppt wurde. Ich wurde aufgrund der Denunziation durch einen Franzosen verhaftet, der mit den deutschen Besatzern kollaborierte, und der mich und eine Gruppe verdächtigte, einer Widerstandsgruppe anzugehören. Wir wurden von der Gestapo und der SS in Chambois, meinem Heimatort in der Normandie, festgenommen. Es war der 3. Mai 1944, wenige Wochen vor der Landung der alliierten Streitkräfte an den Stränden der Normandie.

Ich möchte nicht ins Detail gehen, was die extrem harten Lebensbedingungen betraf, denen man meine Kameraden und mich, jedem menschlichen Respekt zum Hohn, in diesem Lageraussetzte.

Ich hatte das Glück, diesen Ort zu verlassen, in schlechtem Gesundheitszustand zwar, dennoch ist es mir gelungen, der zu werden, der ich heute bin: ein alter Mann von 84 Jahren.

Ich muss sagen, dass meine Gefühle gegenüber Deutschland und den Deutschen bei meiner Rückkehr aus den Lagern nicht sehr positiv waren. Ich nahm es diesem Volk übel, dass es Hitler und den Nationalsozialismus akzeptiert hatte.

1953 bin ich mit einem Kameraden, auch er ein Deportierter auf der Bahrsplate, mit dem Auto nach Neuengamme und nach Blumenthal zurückgekehrt. In Neuengamme war der Zugang zum Lager untersagt; das Gelände war eine große Strafanstalt geworden. Wir verschafften uns dennoch Zugang und ich machte Aufnahmen, die nunmehr zu Dokumenten geworden sind. In Blumenthal hatte man uns nicht erlaubt, die Werkstätten an der Weser wiederzusehen. Was die ehemaligen Baracken betraf, so waren sie in Wohnunterkünfte verwandelt worden, umgeben von Gemüsegärten und Blumen; sie wurden offensichtlich von Flüchtlingen aus dem Osten bewohnt, die uns mit Misstrauen betrachteten.

Insgesamt gesehen verlief diese Reise unter keinen günstigen Umständen; ich habe mir geschworen, so schnell nicht wieder nach Deutschland zu kommen.

Als nach dem Sieg über die Naziherrschaft 1945 die Vereinten Nationen gegründet wurden und die Vollversammlung am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündete, konnte man hoffen, dass die Welt den Weg des Friedens und der Freiheit einschlagen würde. Leider war dies keineswegs so. In Europa blieben die Diktatoren Franco in Spanien und Salazar in Portugal an der Macht, und in Griechenland hatten wir die Obristen. Der Kalte Krieg brach aus und wir erlebten erneut Kriege und Völkermord – in Afrika, in Asien, auch in Europa mit den fürchterlichen Entwicklungen, die das Jugoslawien in Strömen von Blut enden ließ.
In den Ländern des kommunistischen Blocks im Osten zwang das System der Gulag-Straflager und die Scheinprozesse dazu, dieses Regime abzulehnen. Auch Frankreich war in Kolonialkriege verwickelt, in Indochina (Vietnam) und in Algerien und ließ zu, dass seine Armee zu verdammenswerten Methoden griff.
Dies alles waren Gründe, die mich an die Seite derer führten, die sich solchen Kriegen widersetzten. Die Welt war überhaupt nicht so geworden, wie ich es erhofft hatte. So entschloss ich mich als ehemaliger Deportierter, dass ich mich zumindest am Kampf um die Einhaltung Menschenrechte beteiligen sollte. So trat ich vor nunmehr 35 Jahren "Amnesty International" bei und war 20 Jahre lang ein tragendes Mitglied unserer Gruppe. In dieser Zeit war Deutschland eine wahre demokratische Nation geworden, ein Land, das nicht davor zurückschreckte, sich mit der eigenen Vergangenheit zu befassen und sie zu verdammen.
Als mir 1990 der Kamerad, der mit den jährlichen Erinnerungsfahrten betraut war, berichtete, dass das Lager Blumenthal einer großen Grünfläche gewichen war und dass es einer Gruppe deutscher Antifaschisten gelungen war, eine Gedenkstätte zu schaffen zu Ehren all derer, die in diesem Lager auf der Bahrsplate gelitten hatten oder gestorben waren, habe ich mich für die nächste Fahrt angemeldet.

Meine drei Kameraden, die beiden Witwen ehemaliger Häftlinge und ich haben diesen Ort mit großer innerer Bewegung betreten. Auch wenn alles verschwunden war &ndash die Weser mit ihren Schiffen, die unter einer skandinavischen Flagge nach Norden fuhren und die Bäume am Ufer stellten für mich eine Szenerie dar, die mich erneut an die Freiheitssehnsucht hinter Stacheldraht denken ließ, und ich habe mich um Jahre zurückversetzt gefühlt.

Wenn ich dort abends dort drüben, auf der anderen Seite des Flusses, Licht in den Häusern sah, die uns nicht weit entfernt erschienen, sagte ich mir, dass dort, trotz aller Kriegswirren, Menschen ein normales Familien-leben hatten, und ich hatte den Eindruck, dass uns ein Abgrund von ihnen trennten uns, die wir hinter der Stacheldrahtumzäunung eingesperrt waren und schlimmer als Hunde behandelt wurden.

Nach einer kurzen Zeremonie an der Gedenkstätte, deren Errichtung und stark berührt hatte, setzten wir unsere Gedächtnisfahrt fort; ich nahm mir vor zurückzukommen.
1992 konnten wir den ganzen Tag in Blumenthal verbringen. Wir wurden herzlich von deutscher Seite aufgenommen. Aber was uns besonders beeindruckte, war die Anwesenheit einer kleinen Schülergruppe, die einen Teil ihres Sonntags geopfert hatte, um uns zu treffen. Dieser Tag war reich an Gesprächen und bedeutete den Beginn einer festen Freundschaft. Es folgten regelmäßige Kontakte mit den neuen deutschen Freunden; meine Frau und ich hatten mehrfach das Vergnügen, sie bei uns zu Hause zu beg üßen.

Im Jahr 2000 wurde die Freude, meine Freunde wiederzusehen, getrübt. Junge Neonazis hatten auf die Skulpturen der Gedenkstätte Hakenkreuze gesprüht. Auch in diesem Jahr, so habe ich erfahren, ist es zu einer widerlichen Entweihung dieser Stätte gekommen. Ich hoffe, dass es zu intensiven Nachforschungen kommen wird und dass die Verantwortlichen gefunden und bestraft werden.

Auch wenn diesen skandalösen Handlungen, die für uns so schmerzlich sind, nur von einer Minderheit verwirrter junger Leute begangen wird, die provozieren wollen und auch wenn man nicht maßlos dramatisieren darf, so bleibt doch richtig, dass man solche bösartigen Ideen überall wiedererstehen sieht; dabei glaubte man sie auf ewig verbannt. Es ist erstaunlich festzustellen, dass sie am stärksten in den Ländern Osteuropas und in Russland verbreitet sind, und dies unter dem oft gleich ültigen Auge der Behörden.

Hoffen wir, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise, die bereits in vielen Ländern den Rückzug auf sich selbst und den Mangel an Interesse am Nächsten bewirkt, nicht zu einer Rückkehr der alten Dämonen führen wird.

Deshalb muss Europa, dass so schwierig zu bauen ist, stärker und stärker werden und ich setze mein Vertrauen in euch junge Menschen, dieses Europa zu schaffen.

Ihr sollt wissen, dass ich mit großer innerer Bewegung von den Fortschritten eures Projektes erfahren habe. So hatten sich also mehr als 60 Jahre nach diesen schmerzlichen Ereignissen Schüler einer Berufsschule in Bremen mit der Geschichte des Lagers befasst und sich vorgenommen, eine große Skulptur zu realisieren, die symbolisiert, dass es die Hoffnung gab, aus der Hölle einen Weg in die Freiheit und das Leben zu finden.

Die wenigen noch lebenden Ehemaligen des Kommandos Blumenthal, mit denen ich über euer Projekt gesprochen habe, sind, ebenso wie ich, sehr dankbar, dass dieses Werk realisiert werden konnte. Zu meinem großen Bedauern kann ich aus Gesundheitsgründen, die mit meinem Alter zusammenhängen, am heutigen Tag nicht anwesend sein; ich hätte so sehr gewünscht, euch persönlich meine Dankbarkeit und meine Zuneigung zu bezeugen.

Danke, junge Deutsche, ihr seid die Zukunft eures Landes.
Chambois, 29. August 2009
Pierre Billaux, Häftlings-No. 39359 Neuengamme


Schüler, Lehrer und Meister des SZ Alwin-Lonke-Straße bei der Einweihung der Skulptur STEIN DER HOFFNUNG

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